Ausbildung

Leitfaden zur Schweißarbeit

Die Arbeit des vielseitigen Jagdgebrauchshundes auf der Schweißfährte

 

 

Einleitung

Die Arbeit nach dem Schuß

Die „Arbeit nach dem Schuß“ ist mit besonders hoher Verantwortung des Jägers belegt. Sie ist dem Tierschutz unmittelbar verpflichtet und hat einen besonderen Stellenwert im Rahmen der jagdlichen Ethik. Die Erfüllung dieser Aufgabe hängt von der Bereitstellung hinreichend genügender und dafür qualifizierter Jagdhunde ab. Die Qualifizierung beinhaltet die entsprechenden Anlagen des Hundes sowie seine zielführende Ausbildung und Führung. Insbesondere im Hinblick auf die Schweißarbeit hängt der nachhaltige Nachsuchenerfolg in besonderem Maße, d. h. wie bei keiner anderen Arbeit mit dem Jagdhunde, auch von der Qualifikation des Führers ab. Angesichts der zurückgegangenen Hasen-, Fasan- und Rebhuhnbestände einerseits und der steigenden Schalenwildstrecken andererseits hat die Schweißarbeit im Rahmen der Nachsuchenanforderungen zusätzliches Gewicht bekommen. Gegenwärtig werden etwa 1,4 Mio. Stück Schalenwild in der Bundesrepublik Deutschland jährlich erlegt, wovon auf das Rehwild mehr als 1 Mio. (rd. 75 %) entfallen. Allein vom Volumen her kann der Nachsuchenbedarf von den etablierten Schweißhunden nicht annähernd erfüllt werden. Hier ergibt sich nach wie vor ein wichtiges Zukunftsfeld für den vielseitigen Jagdgebrauchshund, vor allem für den Vorstehhund. Gerade beim Kleinen Münsterländer finden wir verhältnismäßig viele Hunde, die mit ihrem Anlagenspektrum (Hunde der Folge, Spur- und Fährtenwille, mentale Belastbarkeit, Ausdauer, Wildschärfe, Laut. ..) grundlegende Voraussetzungen für die qualifizierte Nachsuchenarbeit erfüllen. Wenn hier von qualifizierter Schweißarbeit gesprochen wird, sind damit die Anforderungen der jagdlichen Praxis gemeint. Auf dem Wege dorthin werden die Mindestbedingungen der Verbandsschweißprüfung als Orientierungshilfe genutzt. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass der Aufwand bis zur souveränen Erfüllung der VSwPO-Bedingungen und erst recht bis zum Verantwortungsbewussten Praxiseinsatz außerordentlich hoch ist, höher als der für die Vorbereitung zur Verbandsgebrauchsprüfung. Deshalb sollte man dem ehrgeizigen Plan die selbstkritische und die sehr kritische Prüfung des Kandidaten voranstellen.

Anlagen des Hundes

Der ausgeprägte Spur- beziehungsweise Fährtenwille als Ausdruck des Folgedranges zur Beute ist eine leicht nachvollziehbare Anlagengrundvoraussetzung, welche möglichst frühzeitig gefördert und fortgebildet werden sollte. Dazu gehört die nervliche Belastbarkeit des Hundes, welche ihn in die Lage versetzt, jegliche Stresssituation (optische und akustische Reize, Wildverleitungen. ..) rasch zu überwinden. Die sogenannte niedere Reizschwelle ist hier nicht gefragt. Der geschickte (souveräne) Nasengebrauch steht mit dem Wesen in gewissem Zusammenhang. Die Nasengüte für sich, d. h. die objektive Riechfähigkeit, ist heute kein züchterisches Problem, wohl aber subjektiv der souveräne Nasengebrauch. Jeder erfahrene Jäger mit dem Hund weiß, wie sehr der Nasengebrauch auch von der körperlichen Konstitution des Hundes abhängt. Insofern gehört auch die körperliche Ausdauer zu den wichtigen Voraussetzungen. Der für die qualifizierte Schweißarbeit bestimmte Hund muß wenigstens sichtlaut sein. Es hat fatale Folgen, wenn der Führer die Hetze, welche i. d. R. mit anspruchsvollen Nachsuchenarbeiten verbunden ist, nicht mit dem Ohr verfolgen kann.

Schließlich muß der Hund eine angemessene Wildschärfe mitbringen. Aus rechtverstandenem Tierschutz ist diese Forderung unabdingbar. Es ist sehr schlimm, wenn der hetzende Hund das kranke Stück Wild nicht scharfstellend am Platz bindet oder das laufkranke Stück Rehwild nicht kompromisslos niederzieht und abtut.

Nutzung des Welpenalters

Die weitreichende Bedeutung der Umwelteinflüsse während des Welpen- und Junghundalters für die spätere Hundepersönlichkeit ist der Fachwelt bekannt und zwischenzeitlich durch viele praktische Beispiele belegt. In diesem Rahmen ist nicht näher darauf einzugehen, außer daß auf den speziellen Bezug zur Schweißarbeit hingewiesen werden soll. Eine Reihe von anlagebedingten Verhaltensweisen kann man schon im Hundekindalter erkennen. Insbesondere aber können aus unserer Sicht positive Anlagen sehr gut gefördert werden. So bringt es der Welpe beispielsweise auf der Führerfährte und Futterschleppe zu vormals nicht gekannten Leistungen. Ein entscheidender Punkt dabei ist, daß die Motivation zum ausgeprägten Arbeitswillen (Beutewillen) aufgebaut und gefestigt wird, so daß sie beim Hund sein Leben lang anhält. Das sich damit auch die Kunst des Nasengebrauchs rasch entwickelt, läßt sich schlüssig nachvollziehen.

Die Futterschleppe beginne ich mit dem 8 Wochen alten Welpen zunächst mit nur wenigen Metern; dabei macht das Hundekind die unauslöschlich prägende Erfahrung, daß das Verfolgen solcher Duftspur zu einem herrlichen Ende führt. Es muß nur konsequent darauf geachtet werden, daß der Welpe immer hungrig vor diese Aufgabe gestellt wird und am Ende aus der Hand des Führers die „gemeinsame Beute“ verzehren darf. Einfühlsam werden solche Schleppen nach kurzer Zeit der Hinführung über längere Strecken und am Schweißriemen gearbeitet, so daß der erst 10 Wochen alte Welpe schon einen hohen Grad der Riemenfestigkeit erreicht und den Riemen als etwas Freudeverheißendes und als Mittel zum gemeinsamen Beutemachen empfindet.

Die Stehzeit der Schleppen übersteigt sehr bald drei Stunden. Die weitere Steigerung der Schwierigkeitsgrade erfolgt über längere Stehzeiten und Entfernungen. So kann der erst wenige Monate alte Junghund Übernachtschleppen in ruhigster Gangart am langen Schweißriemen über mehrere 100 m souverän und mit großer Passion meistern. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, daß der in dieser Weise eingearbeitete Hund später trotz umfangreicher Erfahrung in der Nachsuchenpraxis bis ins hohe Alter künstliche Schweißfährten mit Freude arbeitet. Dieses ist gerade beim vielseitig eingesetzten Jagdgebrauchshund im Hinblick auf die Vorbereitung zur Nachsuchensaison von kaum ersetzbarem Vorteil.

In jener Phase wird auch die psychische Belastbarkeit systematisch gefestigt, indem man mit Einfühlungsvermögen vielfältige Begegnungen provoziert, bei denen der im Grunde wirklich wesenfeste Welpe oder Junghund lernt, damit unbekümmert umzugehen. Beispielsweise führe ich den Welpen an alle sich bietende Gegenstände und in Räumlichkeiten, die objektiv ungefährlich sind, bei ihm aber deutliche Zurückhaltung oder gar Angst auslösen (z. B. Vogelscheuche im Feld oder dunkler Kellerraum). Bei den täglichen Reviergängen lernt das Hundekind alle Gelände- und Bewuchsverhältnisse kennen und überwinden, wie die steile Wegeböschung, den Schlagabraum im Waldbestand, die Brombeerhecken, die Brennesseln, den tiefen Wassergraben und vieles andere mehr. Zudem lernt schon der Welpe die vielfältigsten Duftkomponenten kennen, wobei er je nach innerem Drang registriert, untersucht und aus seiner Sicht abklärt; dabei sollte ihm Zeit gegeben, er nie unterbrochen werden!

Bedeutung der Riemenarbeit

Die Riemenfestigkeit ist von zentraler Bedeutung. Sie bewirkt, daß der Hund jedes vom Führer aufgezwungene Tempo -bis zum Stillstand -gelassen hinnimmt, ohne in seiner konzentrierten Zielstrebigkeit beeinträchtigt zu werden. Der Hund muß an langsamste Gangart gewöhnt werden; es gibt keine zu langsame Riemenarbeit, solange der Hund sich wirklich bemüht. Die Riemengewöhnung und -festigkeit kann zusätzlich auch sehr gut im Verlauf paralleler Ausbildungsgänge, wie auf der Hasenspur oder bei den Schleppen, trainiert werden. Es kommt darauf an, dem Hund einzugeben, daß der Schweißriemen kein lästiges Hindernis, sondern vielmehr das erfolgsversprechende Verständigungsmittel ist.

Im Grunde beginnt die Riemenarbeit bereits mit dem demonstrativen und rituellen Auslegen des Schweißriemens vor jeder Arbeit. Damit wird der Hund sehr rasch die nachfolgende Arbeit verknüpfen und sich innerlich darauf einstellen. Der Schweißriemen wird zum Symbol der Konzentration und Beherrschung auf der Reizfährte, der auch bei vielfältigen Verleitdüften beziehungsweise -fährten gefolgt werden soll.

Bei der Nachsuche auf Schalenwild in der Praxis ist der nachhaltige Erfolg nur durch längstmögliche Riemenarbeiten gewährleistet. Einer der verbreitetsten Fehler in der Nachsuchenpraxis ist das Übereilte Schnallen. Aus der praktischen Erfahrung wissen wir, daß allein dadurch viele Nachsuchen erfolglos blieben.

Bedeutung der allgemeinen Grundausbildung

Der vielseitig eingesetzte Jagdgebrauchshund ist auf der Schweißfährte wesentlich mehr Verleitungen ausgesetzt als der reine Spezialist. Das wird leicht verständlich, wenn man berücksichtigt, wie vielfältig seine Erfolgserlebnisse in unterschiedlichem Einsatz sind. Der junge Hund lernt im Rahmen seiner sonstigen Vorbereitungen (im Feld, Wasser und Wald) zunehmend verlockende Verleitungen kennen, denen er gar zu rasch erliegt, wenn ihn die Autorität seines Herrn daran nicht hindert. Die abgeschlossene Gehorsamsdressur ist für den vielseitig eingesetzten Jagdgebrauchshund ein Grundpfeiler der Nachsuchenausbildung. Der selbstverständliche Gehorsam ist die Basis der Weiterarbeit. Das „Halt“, „Platz“, „Sitz“, „Hier“ müssen gelegentlich der Arbeit auf der Rotfährte so selbstverständlich befolgt werden, daß es den Hund in keiner Weise negativ beeinflußt. Über den Grundgehorsam hilft der Führer Verleitungen zu bewältigen, ebenso wie Phasen temporärer Konzentrationsmängel zu überwinden. Beispielsweise ist das mehrminütige Ablegen beim Auftreten derartiger Schwierigkeiten ein hervorragendes Führungsmittel, wonach der Hund wieder erstaunliche Konzentrationskräfte entwickelt, sich innerlich sammelt und den Fortgang der Arbeit wesentlich leichter erfüllt.

Künstliche Schweißfährten -wie und womit? Der Frage nach der Schweißart und der Legetechnik wurde bisher i. d. R. viel zu große Bedeutung beigemessen. Bei der oben beschriebenen Motivation über den Hunger spielt die Schweißart, ob Haustier- oder Wildschweiß, eine absolut untergeordnete Rolle. Erst im Hinblick auf den Einsatz in der Praxis werde ich den Hund vornehmlich mit dem Schweiß der Wildarten trainieren, mit denen er sich in der Praxis auch hauptsächlich befassen soll. Nicht viel anders sieht es auch mit der Legetechnik aus. Ob ich spritze, tupfe oder mit dem Fährtenschuh trete, bringt unter gewissen Umständen zwar qualitative Unterschiede, aber den Hund kann ich nie darüberhinwegtäuschen, daß es sich um eine künstliche Fährte handelt. Selbst arbeite ich sehr viel mit der Lungenschleppe und später tupfe ich anstelle mit dem schweißgetränkten Schwämmchen mit einem ebenso kleine Lungenstückchen oder anderem Tierkörpergewebe. Das hat sich ausgezeichnet bewährt. Allerdings ist der Schwierigkeitsgrad einer so gelegten Fährte sehr abhängig von der Witterung zum Legezeitpunkt. So hinterlässt das Lungenstückchen erheblich mehr Witterung, wenn der Boden feucht ist. Auch das zwischenzeitliche Benetzen des Lungenstückchens mit einfachem Wasser erleichtert dem Hund die Arbeit nennenswert. Immerhin ist es faszinierend, wie entsprechend eingearbeitete Hunde nach zwei oder drei Nächten solche Fährten souverän meistern.

Im allgemeinen darf man voraussetzen, je rauher das Gelände, desto einfacher die Nasenarbeit. Das ergibt sich schon aus der damit verbundenen stärkeren Bodenverwundung, welche für die Fährtenarbeit von eminenter Bedeutung ist. In diesem Zusammenhang sei auch der Fährtenschuh (ohne Schweiß) nochmals angesprochen, welcher uns als sinnvolles Hilfsgerät dient. Allerdings sei daran erinnert, daß Rehwild nur geringe oder keine verwertbare Bodenverwundung hinterlässt, so daß wir unsere Hunde unter diesem Aspekt auch auf möglichst geringe Bodenverwundung einstellen müssen. Die Nachsuche auf Rehwild wird nach wie vor als Aufgabe vornehmlich der vielseitigen Jagdgebrauchshunde verstanden. U. a. ist aber die Arbeit auf der vergleichbar alten Krankfährte des Rehes schwieriger als auf jener von schwerem Schalenwild. Konsequenterweise müssen wir daher während der Ausbildung vorbeugend darauf hinwirken, daß der Hund sich nicht zu stark an der Bodenverwundung orientiert, und wir mehr die Sensibilität für die reine Schweiß- beziehungsweise Krankwittrung wecken, wenn das Rehwild als Hauptnachsuchenwild zu erwarten ist. Insofern ist die Benutzung des Fährtenschuhs für die Herstellung der künstlichen Schweißfährte sehr differenziert zu betrachten.

Eine sehr wichtige Verhaltensweise des Hundes auf der roten Fährte ist das Verweisen von stärkeren Duftpartikeln, die ggf. auch vom Führer mit dem Auge wahrgenommen werden können, wie z. B. große Schweißtropfen, Knochensplitter, Gewebefetzen. ..usw. Unsere vielseitigen Jagdgebrauchshunde haben im Durchschnitt anlagebedingt kein so ausgeprägtes Verweiserverhalten wie die eigentlichen Spezialisten. Das Verhalten läßt sich aber methodisch durchaus sehr gut vermitteln. So hinterlasse ich beim Legen der Fährte, z. B. kleine, mit Laub abgedeckte Lungenstückchen und markiere mir die Orte genau. Während der Fährtenarbeit unterstütze ich den Hund beim Finden der Verweiserpunkte, greife zu ihm vor und lobe ihn angemessen. So lernt der Hund sehr rasch verweisen, insbesondere auf einer im übrigen schweißarmen Fährte, Schritt für Schritt zu höheren Ansprüchen

Wie bei jeder anderen Ausbildung ist es wichtig, systematisch und Schritt für Schritt voranzugehen; die nächste Stufe erfolgt erst, wenn die vorangegangene beherrscht wird.

Bis zur Übernachtfährte übe ich im Gelände mit möglichst wenigen oder keinen Verleitungen. Der Schweiß darf noch verhältnismäßig reichlich sein (z. B. 1/4 Liter je 400 m), aber die Stehzeit kann und soll verhältnismäßig rasch erhöht werden. Der halbjährige Hund arbeitet bei entsprechender Handhabung die verleitungsarme Übernachtfährte 500 m mit 1/4 Liter Schweiß problemlos. Von entscheidender Bedeutung bleibt das stets eindrucksvolle Ende, welches die Motivation erhält. Die besten Erfahrungen liegen dazu vor, wenn man den zuvor hungrigen Hund am Ende genossenmacht.

Die langsamste Gangart bleibt oberstes Gebot und dient gleichzeitig der Riemenfestigkeit. Selbst der zügige Schritt ist viel zu schnell. Der Hund muß lernen, daß er jeden einzelnen Meter erarbeiten soll und nicht nur in die Richtung läuft.

Die Verringerung der Schweißmenge auf der Übernachtfährte -zunächst bis etwa 1/6 Liter je 500 m -gewöhnt den Hund an eine bessere Konzentration. Die stetige Verlängerung der Stehzeit von 12 auf 25 Stunden erfolgt daneben.

Zu Beginn ähnelt die Folge der Duftpartikelchen, welche den „roten Faden“ darstellen, noch mehr dem Verlauf einer Schleppe. Hernach müssen die Abstände erweitert werden bis dahin, daß schließlich nur noch mit jedem 2. Schritt getupft beziehungsweise gespritzt wird. Durch das Einlegen von zunächst kürzeren schweißfreien Strecken lernt der Hund zielgerichtet zu bögeln, die durch den Fährtenleger verursachte Bodenverwundung zunehmend als zusätzliche Leitlinie zu berücksichtigen und den Anschluß wiederzufinden.

Der Wechsel des Untergrundes im Fährtenverlauf ist von sehr großer Bedeutung für den Hund. Aufgrund der Unterschiede kleinklimatischer Verhältnisse, der Bodenfauna und -flora erwarten den Hund auch entsprechend einschneidend unterschiedliche Duftfelder, aus denen er die Reizfährte sortieren muß. Deshalb suche ich zunehmend den Untergrundwechsel, z. B. Sonne-/Schattenhang, Laub- holz-/Nadelholzbestand, Freifläche/Dickung usw. Der häufige Wechsel des Untergrundes erschwert die Fährtenarbeit nennenswert.

Der Hund neigt zum sogenannten „Linienlaufen“, wenn die Fährte über längere Strecke beispielsweise auf einem Pfad, einem Weg oder auf einem Wechsel verläuft. Dabei neigt er zunehmend zur optischen Orientierung, d. h. er vernachlässigt die nasenmäßige Bindung an die Rotfährte. Deshalb werden Fährten bewußt auf solche „Linien“ gelegt, wonach der Hund über den Gehorsam gezwungen werden kann, auch unter solchen Verhältnissen konzentriert sich nur über die Nase zu orientieren. Sobald er oberflächlich wird und die Nase hochnimmt, heißt es „Platz!“ Nach entsprechender Ermahnung geht die Arbeit danach konzentrierter weiter. Besonders achte ich darauf, daß die plötzlichen Absprünge von der „Linie“ vom Hund sorgfältig ausgearbeitet werden.

Zunehmend suche ich schließlich Verleitungen. Diese können zunächst auch künstlich (z. B. kreuzende Kaninchenschleppe) hergestellt werden, sollten aber bald durch reichlich vorhandenes Wild natürlich gelegt sein. Bis zu diesem Zeitpunkt muß der Führer den Fährtenverlauf immer genau kennen, um auch situations- und sachgerecht einwirken zu können.

Danach legt ein Helfer als Fremdleger die Fährten, so daß ich einerseits lerne, die Verhaltensweisen des Hundes richtig zu interpretieren und andererseits der Hund auch die Erfahrung macht, daß er mit meiner Unsicherheit fertig werden muß. Meine innere Unsicherheit empfindet der Hund sofort als eine neue Art der Führung, der er sich schließlich ohne Leistungsabfall anpassen soll. Der Fremdleger soll selbstverständlich eine fachkundige Person sein.

Die anspruchsvolle Schweißarbeit bedeutet für den Hund auch bei langsamster Gangart eine enorme Anstrengung. Durch die fortwährende Schnüffelatmung, wobei primär das Nasenriechfeld mit Duftstoffen und weniger die Lunge mit Sauerstoff versorgt wird, ermüdet der Hund ungeheuerlich. Er muß zwischendrin Zeit bekommen und es auch lernen; „ökonomisch“ zu atmen, d. h. sich so mit Sauerstoff zu versorgen, daß der Fortgang der Arbeit nicht gefährdet wird. Hierfür ist das zwischenzeitliche Ablegen des Hundes auf der Fährte ein sehr gutes Führungsmittel.

Der Hund wird den Führer auch sehr rasch verstehen und das Angebot dankbar annehmen. Es sei wiederholt, daß eine kleine Ruhepause den Hund in zuweilen frappierender Weise zu neuer Leistungsbereitschaft und -fähigkeit führt. Im übrigen sollte der Führer nur sparsam und gezielt loben beziehungsweise tadeln, vielmehr selbst konzentriert die Verhaltensweisen seines Hundes beobachten und ggf. sachgerecht einwirken.

Übergang zur Praxis

Der praktische Einsatz auf der Schweißfährte kann verhältnismäßig früh beginnen, muß sich aber zunächst allein auf sichere Totsuchen beschränken, damit der Erfolg in jedem Fall gewährleistet ist. Hier wird natürlich das gefundene Stück zur großen Motivation. Auch in solchem Falle sollte die Fährte mindestens drei Stunden stehen (ggf. wird das Stück auf Umwegen geholt und später wieder hingelegt). Hetzen an krankem Wild sind in dieser Phase tunlichst zu vermeiden. Falscher Ehrgeiz bei Praxiseinsätzen, vor allem während der Ausbildungsphase, ist außerordentlich schädlich. Hier ist schlicht auch die Wesensfestigkeit des Hundeführers gefordert. Ggf. holt man eben den besser ausgebildeten und erfolgsbestätigten Hund. Der ei- gene Kandidat sollte die künstliche Übernachtfährte über 1000 m und durch natürliche Verleitungen (VSwPO-Bedingungen) zuverlässig und souverän arbeiten, bevor man ihn der rauhen Nachsuchenpraxis zuführt.

Die Bedeutung des Führers

Nach wie vor besteht seitens der Führer immer noch ein großer Respekt vor dem Prüfungsfach „Schweiß“. Woran liegt das? Die Leistungsfähigkeit -und im Hinblick auf die Nachsuchenpraxis auch Leistungsnotwendigkeit -unserer Hunde wurde (wird) von großen Teilen der Jägerschaft und leider auch der Vertreter im Jagdgebrauchshundewesen unterschätzt. In Wirklichkeit liegt die Schwierigkeit nicht in erster Linie bei den Hunden, sondern vielmehr bei den Führern.

Es gibt kein vergleichbares Leistungsfach bei der Arbeit mit dem Jagdhund, wo die Verknüpfung zwischen Hund und Führer so intensiv und eng ist. Der Schweißriemen, welcher Hund und Führer über weite Strecken verbinden muß, wirkt als physische FesseI, die aber auch zu einer unausweichlich psychischen Abhängigkeit führt. Das kann positive wie aber insbesondere auch negative Auswirkungen haben. Unser Jagdhund ist ein hervorragender Interpret der individuellen Stimmungslage seines Führers, welcher er sich in seinem angeborenen Meuteverhalten geradezu zwangsläufig unterwirft und anpaßt. So beflügelt ihn meine Selbstsicherheit, meine Beharrlichkeit, mein feinfühliges Eingehen auf veränderte Umweltverhältnisse, meine Ruhe, mein Beutewille u. a. m. während der Schweißarbeit zu positiver Leistung, ebenso wie meine Unsicherheit, meine Orientierungslosigkeit, mein Ärger, meine schlechte Laune, meine Grobschlächtigkeit u. a. m. ihn rasch versagen lassen. Die Riemenarbeit ist jener Teil der Zusammenarbeit zwischen Jäger und Hund, in weIcher sich der Jäger dem Hund am unausweichlichsten -wenn auch unbewußt -mitteilt, sowohl positiv als auch negativ. Letzteres trifft leider am häufigsten zu und ist schließlich Grund dafür , daß das Fach „Schweißarbeit“ soviel Respekt verursacht. Als Konsequenz daraus ergibt sich, daß der Jäger, der sich dieser Arbeit besonders annehmen will, zunächst sich selbst fachlich ausbilden und prüfen muß, ob er den relativ anspruchsvollen Anforderungen für das faszinierende Zusammenspiel mit dem Hund gewachsen ist. Der Führer muß für die Riemenarbeit grundsätzlich eine zuverlässige positive Grundstimmung mitbringen. Zeitdruck, Launenhaftigkeit oder gar Unbeherrschtheit des Führers registriert der Hund unmittelbar und reagiert durch eine Kette von „Fehlverhalten“. Das Wissen um die Sache mit dem Schweiß, um die zielsichere Interpretation der hundlichen Verhaltensweisen und um die entscheidende Bedeutung der eigenen Grundstimmung und deren Auswirkung auf den Hund sind Grundvoraussetzungen für die Ausbildung zur anspruchsvollen Schweißarbeit und für eine erfolgreiche Meuteführung im nachsuchenden Gespann.

 

Alfons Brocke,
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